Selbsthilfe für Unterhaltspflichtige

2. Januar 2024

Viele Unterhaltspflichtige erhalten in diesen Tagen Post mit Unterhaltsforderungen, die sie nicht mehr bezahlen können. FSI bietet im Rahmen seiner Sozialberatung konkrete Handlungsmöglichkeiten in dieser Notlage.

Titelbild Leitfaden Unterhalt

Die Unterhaltssätze der Düsseldorfer Tabelle sind seit 2020 um rund 30% gestiegen. Gleichzeitig finden Inflation und Kostensteigerungen für die Politik immer nur an der Meldeadresse statt. Der Selbstbehalt deckt in vielen Fällen nicht mehr das sächliche Existenzminimum ab. Selbst bei umfassender Mitbetreuung haben Kinder laut Unterhaltsrecht keinerlei Bedarfe im zweiten Haushalt. Will man diese dennoch geltend machen, so trifft man auf eine Familiengerichtsbarkeit, die der juristischen Illusion nachhängt, den Kindern ginge es umso besser, je mehr Geld an die Meldeadresse transferiert wird.

Diese Gemengelage erzeugt bei vielen Betroffenen ein Gefühl des Ausgeliefertseins. Existenzbedrohende Geldforderungen sind gleichzeitig mit massiven staatlichen Durchgriffsrechten versehen. Viele Betroffene sind von Verschuldung, Pfändung, teilweise Wohnungsverlust bedroht. Gleichzeitig beraten die Beistandschaften der Jugendämter - aus Unwissen oder Vorsatz - ausschließlich einseitig.

In dieser Situation möchten wir Betroffene dabei unterstützen, wieder in eine aktive Handlungsposition zu kommen. Sie haben im Prinzip zwei Optionen:

Bürgergeld beantragen

Da der Selbstbehalt inzwischen - insbesondere bei Mitbetreuung - meist unter dem grundgesetzlich garantierten Existenzminimum liegt, können Sie Ihr Einkommen auf das sächliche Existenzminimum aufstocken lassen. Dazu müssen Sie einen Antrag auf Bürgergeld bei Ihrem zuständigen Jobcenter stellen.

Wie dies geht, haben wir in unserem

Leitfaden zur Existenzsicherung bei Unterhaltspflicht

für Sie zusammengestellt.

Gehen Sie diesen Weg insbesondere dann, wenn...

  • Sie Ihre Kinder mitbetreuen,
  • Ihre tatsächlichen Unterkunftskosten über der Pauschale von 520 € liegen,
  • Unterhalt ein Konfliktthema in der Elternbeziehung ist oder
  • Sie den geforderten Unterhalt bisher bezahlt haben, dies durch die Erhöhung aber nun nicht mehr können.

Wenn Sie bisher mit Beistandschaften und Familiengerichten zu tun hatten, werden Sie beim Jobcenter eine völlig neue Erfahrung machen: Sie erhalten Unterstützung. Ihre tatsächlichen Kosten und Bedarfe werden plötzlich gesehen.

Grundrechte geltend machen

Die folgende zweite Option setzt bei Ihren Grundrechten an und ist daher grundsätzlicher und konfliktträchtiger.

Bereits nach aktueller Rechtslage können Selbstbehalt und Unterhaltshöhe entsprechend Ihrer realen Lebenssituation berücksichtigt werden. Das Problem: Bei den Jugendämtern und Familiengerichten wendet man zur "Rechtsvereinfachung" schon so lange die Düsseldorfer Tabelle an, dass man sich an das Grundgesetz gar nicht mehr erinnern kann. Den meisten gerichtsnahen Profressionen ist daher kognitiv nicht zugänglich, dass nur tatsächlich vorhandenes Geld verteilt werden kann und Kinder bei Mitbetreuung auch in Ihrem Haushalt Bedarfe haben.

Das Grundgesetz garantiert das Existenzminimum und das SGB II buchstabiert die konkrete Höhe aus. Somit ist es grundgesetzwidrig, wenn der Selbstbehalt unter Ihrem sächlichen Existenzminimum liegt. Darüber hinaus ist die Düsseldorfer Tabelle weder Gesetz noch Rechtsverordnung, sie besitzt keinerlei rechtsstaatliche Legitimierung. Ihre gesetzesgleiche Anwendung ist daher rechtswidrig.

Für diese Handlungsoption müssen Sie nun die Arbeit der Beistandschaft selbst machen und die Eckdaten des Barunterhalts (Selbstbehalt, Unterhaltsfähigkeit und Unterhaltshöhe) eigeninitiativ ermitteln. Hierzu empfehlen wir folgendes Vorgehen:

  • Sie berechnen das sächliche Existenzminimum Ihres Haushalts gemäß SGB II für sich und Ihre Kinder. Dieser Wert ersetzt den Selbstbehalt der Düsseldorfer Tabelle, denn es kann ja nur ein Existenzminmum geben.
  • Sie machen eine Bedarfsreduzierung geltend, denn in Ihrer Betreuungszeit fallen die Bedarfe der Kinder in Ihrem Haushalt an und nicht an der Meldeadresse.
  • Sie prüfen Ihr verbleibendes Budget als Differenz zwischen Nettoeinkommen und Selbstbehalt. Wenn dies nicht ausreicht, um den zuvor berechneten Barunterhalt zu zahlen, liegt ein Mangelfall vor und die Höhe muss entsprechend gekürzt werden.

Um den tatsächlichen Selbstbehalt und die Bedarfe der Kinder geltend zu machen, stellen wir folgendes

Antwortschreiben zur Unterhaltsforderung

zur Verfügung. Hierbei müssen alle gelb markierten Stellen an Ihren Fall angepasst werden. Für die Berechnung haben wir eine Tabelle zur

Bestimmung von Existenzminimum und Barunterhalt

erstellt.

Gehen Sie davon aus, dass man alle Ihre Argumente ignorieren und vom Tisch wischen wird. Was nicht passt, wird passend gemacht. Beistände und Familienrichter werden ihr bisheriges Agieren wohl kaum in Frage stellen.

Gehen Sie diesen Weg daher nur, wenn...

  • es eine stabile und belastbare Betreuungsregelung gibt,
  • Sie einen kompetenten und engagierten Anwalt kennen, der schon immer einen Fall vor das Bundesverfassungsgericht bringen wollte und
  • eine Rechtsschutzversicherung für Unterhaltssachen haben oder
  • genug Geld, um neben dem Unterhalt auch noch Verfahrenskosten im mittleren fünfstelligen Bereich zu stemmen.

Wir leben in einem Rechtsstaat. Der Rechtsweg steht jedem offen, der ihn bezalen kann.

Was kann ich noch tun?

Schreiben Sie dem Bundestagsabgeordneten Ihres Wahlkreises. Schreiben Sie gerne auch unserem Bundesjustizminister, der derzeit eine völlig wirkungslose Unterhaltsreform auf den Weg bringt. Oder Sie fragen unsere Bundesfamilienministerin, warum es in ihrem Haus bis heute keine Daten zu den Gründen von Unterhaltsausfall gibt. Sie können sich auch an die Mitglieder des Familienausschusses wenden. Auch dort spricht man nicht so gerne über die gesellschaftlichen Auswirkungen des aktuellen Unterhaltsrechts.

Stellen Sie Fragen, werden Sie unbequem, machen Sie Ihre Situation sichtbar für den Politikbetrieb.

(Edit 04.01.2024: Einarbeitung Feedback Leifaden und kleinere Korrekturen)

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