Kurzübersicht zu Familienrechtsreform 2024

18. Oktober 2024

Die Vorschläge aus dem Bundesjustizministerium geben Anlass für einige Klarstellungen

Historie

Das aktuell geltende Familienrecht stammt aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Damals deckte sich das Recht mit den gesellschaftlichen Erwartungen im Lande, es galt: Die Frau kümmerte sich um die Kinder, der Mann hatte für den Lebensunterhalt für Frau und Kinder zu sorgen. Das galt sowohl in der Ehe als auch im Falle einer Auflösung der Ehe.

In den letzten Jahrzehnten erlebten die westlichen Gesellschaften erhebliche Änderungen in den Erwartungen an Eltern: Mütter und Väter sollen zunehmend gleichberechtigt bis paritätisch die Betreuungsverantwortung für die Kinder übernehmen. Gleichzeitig ist es politisch erwünscht, dass Frauen in erheblichem Umfange erwerbstätig sind. Politisch wird diese Entwicklung befördert durch Kampagnen wie „Sorgearbeit fair teilen“.

Heute setzen viele (intakte) Familien diese Vorgaben gerne und mit Überzeugung um. Allein Trennungsfamilien warten immer noch auf eine Angleichung der gesetzlichen Vorgaben, um partnerschaftliches Betreuen der Kinder auch im Falle einer Trennung zu ermöglichen.

Das aktuelle System

Die aktuellen Familiengerichtsverfahren befördern Streit und verstärken Konflikte. Sie belohnen diejenigen Elternteile, die sich einem Konsens zwischen den getrennt erziehenden Eltern verweigern. Eltern „gewinnen“ in der Regel das Verfahren, wenn sie nicht kooperieren und ohne Rücksicht Fakten schaffen. So werden in der gerichtlichen Praxis nahezu nie Sanktionen ausgesprochen, wenn ein Elternteil eigenmächtig mit dem Kind wegzieht, um räumliche Distanz zwischen dem Kind und dem zweiten Elternteil zu erreichen.

Auch würdigt das aktuelle Recht die teilweise sehr hohen Betreuungsanteile durch die zweiten Eltern unzureichend bis gar nicht. Dabei ist klar: Eine Betreuungsleistung von beispielsweise 40 % bis 50 % durch den zweiten Elternteil erfordern bei Vollzeit-Erwerbstätigkeit ungeheuren Aufwand bzw. eine Reduktion der Erwerbstätigkeit. Das aktuelle Recht sieht dies jedoch nicht vor, sondern das Gegenteil: „Erhöhte Erwerbsobliegenheit“ für diese Eltern mit der Pflicht zu Mehrarbeit bzw. zur Übernahme einer Zweiterwerbstätigkeit. Die Gerichte schreiben den zweiten, formal unterhaltspflichtigen Eltern ein „fiktives Einkommen“ zu, aus dem die hoch gerechneten Unterhaltszahlungen zu leisten sind.

Es ist klar: Die gesellschaftlichen und politischen Erwartungen sind so nicht mehr kongruent zu bekommen.

Gleichbehandlung oder Hierarchisierung

Im bestehenden Recht und gemäß GG Art. 6 sind beide Eltern im Hinblick auf ihre Rechte und Pflichten gegenüber ihren Kindern gleichberechtigt (und gleichverpflichtet). Der Staat würdigt dies, wenn die Eltern verheiratet sind. Gleiche Rechte und gleiche Pflichten.

Ab dem Tag der Trennung bricht der Staat jedoch diese Vorgabe und schreibt eine strikte Hierarchisierung zwischen den Eltern vor mit den zugewiesenen Rollen: „Einer betreut – einer bezahlt“ und wertet die Betreuung durch die zweiten Eltern ab mit der Bezeichnung „Umgang“. Was heute komplett aus der Zeit gefallen ist.

Die Entwicklung in den westlichen Ländern

Bereits vor der Jahrtausendwende erkannten einige Regierungen von westlichen Ländern diese Fehlentwicklungen und passten ihr Familienrecht für Trennungsfamilien an: USA (B.: Kalifornien, New York), Australien, Belgien, Frankreich, skandinavische Länder, Schweiz usf.). Mit den Folgen: Abnahme von Streit, Abnahme von Kontaktabbrüchen zwischen Kindern und ihren (zweiten) Eltern, Reduktion der Kosten.

Auffallend ist dabei, dass es konservative Regierungen waren, die das Familienrecht modernisierten. Linke, sich selbst als „fortschrittlich“ bezeichnende Parteien waren den Reformen gegenüber nicht aufgeschlossen.

Jüngste Reformbeispiele sind Irland und Dänemark. Bezeichnend ist dabei, dass diese Länder alle Betroffenen und ihre Verbände an einen Runden Tisch baten, so die Erwartungen abgleichen und sich auf zeitgemäße Lösungen einigen konnten.

Bundesrepublik Deutschland

Nicht so in Deutschland. Die Politik sowohl auf Bundesebene (BMFSFJ) als auch auf Länderebene verzichtet bei diesem Thema auf „Runde Tische“ und kapriziert sich nahezu ausschließlich auf Politik für Frauen (Mütter). Gleiches gilt für die im Bundestag vertretenen Parteien.

Grund dafür ist wohl eine zu große Nähe der Politik zu gut vernetzten, jedoch einseitig aufgestellten Lobbyverbänden: Frauen- und „Alleinerziehenden“-Verbände. Und diese Lobbygruppen erhalten gleichzeitig aus dem genannten Ministerium staatliche Zuwendungen in erheblichem Maße. Ein demokratisches No Go.

Mütter vs. Väter?

Bei einer wirklichen, zeitgemäßen Reform des Familienrechts geht es nicht um die Dichotomie Frauen vs. Männer oder Mütter vs. Väter. Es geht um den Erhalt der Beziehungen der Kinder zu ihren beiden Eltern.

Durch die rechtlichen und gerichtlichen Diskriminierungen der zweiten Haushalte von Trennungsfamilien sind zu ca. 85 % Väter betroffen, jedoch auch zu ca. 15 % Mütter. Tendenz steigend.

Vor diesem Hintergrund ist die herrschende Polarisierung im Diskurs fehlleitend.

Wo bleiben die Kinder?

Viele der politischen Akteure argumentieren über das „Kindeswohl“. Jede gesetzliche Änderung und jede Gerichtsentscheidung müsse sich am „Kindeswohl“ orientieren. Dabei ist in Deutschland „Kindeswohl“ nicht definiert. Der Begriff verkommt in der Regel als strategisches Narrativ zur Erlangung von prozesstaktischen Vorteilen.

Kinder haben ein Recht auf ihre beiden Eltern. Und beide Eltern haben Rechte an ihren Kindern – unabhängig vom Ehestand (GG sowie UN-Kinderrechtskonvention). Das aktuelle bundesdeutsche Familienrecht ignoriert jedoch diese Vorgaben.

Die „Reform“ aus dem FDP-geführten Bundesjustizministerium

Die vorgestellten Entwürfe der Ampel-Koalition zur Familienrechtsreform umfassen folgende Bereiche:

  • Unterhaltsrecht (Eckpunktepapier vom August 2023)
  • Kindschaftsrecht (Eckpunktepapier vom Januar 2024)
  • Abstammungsrecht (Eckpunktepapier vom Januar 2024)
  • Verfahrensrecht: „Gewaltschutz und Familienrecht(Gesetzesentwurf Juli 2024)

Bei der Vorstellung der Papiere legte BM Dr. Buschmann großen Wert auf das „Verkaufen“ eines Reformgedankens: Heutige Eltern sollen sich weniger benachteiligt fühlen.

Das Gegenteil ist der Fall: BM Buschmann stellt zwar große gesetzliche Verbesserungen für homosexuelle Paare vor, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll.

Geht es um getrennt erziehende (heterosexuelle) Eltern, will Buschmann in weiten Teilen das bestehende diskriminierende System auf Jahre / Jahrzehnte festschreiben.

Unterhaltsrecht (EPP)

Für die allermeisten Fälle soll nach Buschmann weiterhin gelten: Einer betreut – der andere bezahlt. Es soll weiterhin nur ein Elternteil unterhaltspflichtig verbleiben.

Für einige (wenige) Betreuungsfälle will Buschmann eine geringe Reduktion der Unterhaltszahlungen vorsehen.

Gleichberechtigtes / paritätisches Betreuen soll weiter sehr eng definiert sein. In vielen Fällen sollen die hohen Betreuungsleistungen der zweiten Eltern unzureichend gewürdigt werden.

Das ist keine Reform, die heutige Trennungsfamilien adressiert.

Siehe auch: https://fsi-ev.de/stellungnahme-zur-reform-des-unterhaltsrechts/

Kindschaftsrecht (EPP):

BM Buschmann möchte Trennungsfamilien in 3 „Klassen“ einteilen: „Wechselmodell“, „asymmetrisches Wechselmodell“ und „Residenzmodell“. Diese Einteilung widerspricht dem Willkür- und Diskriminierungsverbot der Verfassung.

Eltern müssen grundsätzlich in ihren Rechten gleichbehandelt werden. Es darf nicht sein, dass ein Elternteil mit einem Betreuungsanteil knapp oberhalb einer Betreuungsstufe (B.: 30 %) anders behandelt wird als ein Elternteil mit Betreuung knapp darunter.

Siehe auch:  https://fsi-ev.de/stellungnahme-zur-reform-des-kindschaftsrechts/

„Gewaltschutz und Familienrecht“ / Gesetzesentwurf BMJ:

Größte Bedenken herrschen in Bezug auf den im Juli vom BMJ vorgestellten Referentenentwurf „Gewaltschutz und Familienrecht“ im Hinblick auf die (fehlende) Wahrnehmung der Grundrechte der Betroffenen, der Eltern und der Kinder, die (fehlende) Unschuldsvermutung gegenüber den Beschuldigten und das Fehlen von Sanktionen gegenüber Falschbeschuldigungen.

Lesen Sie dazu gerne folgende Dokumente (links):

Stellungnahme 6 Verbände zu „Gewaltschutz und Familienrecht“

Pressemitteilung FSI zu „Gewaltschutz und Familienrecht“

Hier der Text als pdf zum Download (3 Seiten DIN A 4):

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