Positionspapier zur Reform des Familienrechts

22. August 2024

Das Bundesjustizministerium hat Vorschläge für eine große Reform des Familienrechts veröffentlicht. Drängende Probleme werden hierin nicht adressierte, bestehende Konfliktanreize verstärkt. FSI benennt die eigentlich relevanten Punkte und Ursachen der Reformunfähigkeit.

Reform Mit Stempel

Ausgangslage

Bei der Betrachtung der Situation im bundesdeutschen Familienrecht aus europäischer Perspektive fällt auf, dass Deutschland sich einen Sonderstatus erarbeitet hat:

Mit Abstand wurde kein anderes Land im Bereich Familie so oft wegen Menschenrechtsverletzungen durch den EGMR verurteilt wie die Bundesrepublik.

Deutschland ist europaweiter Spitzenreiter in der Prozessquote nach Trennungen und Schlusslicht bei gemeinsamer Betreuung. Hier besteht im Bereich Familienrecht vermutlich der größten Rechtsmarkt der EU (Rechtsanwälte, Verfahrensbeistände, Gutachter, Jugendhilfe). Gleichzeitig verlieren jährlich rund 40.000 Kinder im Zuge einer Trennung dauerhaft den Kontakt zu einem Elternteil.

Deutschland hat eine der geringsten Geburtenraten europaweit und ist das einzige EU‑Land, das die Vaterschaftsfreistellung nach Geburt bisher nicht umgesetzt hat.

Elternschaft in der Bundesrepublik scheint zu einem finanziellen und gesundheit­lichen Hochrisiko geworden zu sein, dem sich immer weniger junge Menschen aussetzen wollen.

Fast alle anderen europäische Länder fanden inzwischen zu einem Familienrecht, das auf gemeinsame Elternschaft ab der Geburt und über eine Trennung hinaus ausgerichtet ist. Warum gelingt dies in Deutschland nicht?

Analyse

Als Ursache für den jahrelangen Stillstand im Familienrecht sieht FSI folgende sechs Gründe:

1. Polarisierung der Debatte
Wir erleben – wie auch in anderen Politikbereichen - eine zunehmende Spaltung in ein Für und ein Gegen, ein Schwarz und ein Weiß. Es geht nicht mehr um einen Wettstreit der Ideen, ein Verhandeln und Ausloten von Möglichkeiten, sondern um Abwerten, Disqualifizieren und Unsichtbar­machen.

2. Aktive Diskursvermeidung
Es gibt kein Forum für den erforderlichen gesellschaftlichen Austausch. In den Wagenburgen einiger Verbände wird zwar viel Zeit für gegenseitige Selbst­affirmation in eigener Sache verwendet, aber leider nicht für die notwendige Lösungsfindung. In diesem Umfeld ist die notwendige Empathie für die möglicherweise guten Gründe anderer Positionen völlig verloren gegangen.

3. Innerparteiliche Einschränkungen
Auch in den meisten Parteien ist Familienpolitik – historisch bedingt – bis heute vor allem Frauenpolitik. Die Politik fordert einerseits „Sorgearbeit fair teilen“ und verweigert gleichzeitig das Gespräch mit denen, die die Hälfte der Sorgearbeit übernehmen sollen. Sprachlosigkeit und Wagenburgen bestehen also auch innerhalb der Parteien.

4. Wirtschaftliche Interessen
In dieser seit Jahren bestehende Gemengelage hat sich um das Familienrecht ein eigener Dienst­leistungs­sektor gebildet, der von Konflikten finanziell abhängig ist. Was würde mit all den Anwälten, Gutachtern, Verfahrens­beiständen und ihren Verbänden geschehen, wenn wir plötzlich ein effektives Familienrecht hätten, in dessen Rahmen Trennungseltern eigenständig Vereinbarungen treffen und diese auch einhalten?

5. Fehlende Moderation
Es wäre Aufgabe des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) in seinem Selbst­verständnis als „Gesellschaftsministerium“, einen Rahmen für den notwendigen zivil­gesellschaft­lichen Diskurs zu schaffen. Entsprechende Formate waren von BMin Katharina Barley ihrerzeit begonnen und von BMin Franziska Giffey weitergeführt worden.

Leider erleben wir seit einigen Jahren das genaue Gegenteil, nämlich, dass das BMFSFJ gesellschaftliche Konflikte mit einer völlig einseitigen Kommunikations- und Förderpolitik weiter anheizt und verschärft. So werden Frauen- und Alleinerziehenden­verbände jährlich mit einem zweistelligen Millionenbetrag gefördert und Vereine, die sich für gemeinsame Elternschaft einsetzen, von einer Förderung ausgeschlossen.

Die durch das BMFSFJ aktiv betriebene Ausgrenzung anderer Positionen steht nicht nur einer Lösungsfindung entgegen, sondern belegt auch eine im Kern antidemokratische Grundhaltung der dortigen Strukturen.

6. Fehlende Daten und selektive Forschung
Es ist ein bekanntes Problem, dass die Alleinerziehendenzählung des Statistischen Bundesamtes im Kern lediglich Meldeadressen erfasst und nicht die tatsächlichen Betreuungsleistungen.

Bis heute ist in Deutschland kaum untersucht, wie sich Trennungseltern die Betreuung aufteilen, warum Kindesunterhalt in über der Hälfte der Fälle nicht vollständig gezahlt werden kann oder welche Gründe die dramatisch hohe Zahl an Kontaktabbrüchen hat.

Es ist bedauerlich, dass sich das vom BMFSFJ geförderte Deutsche Jugendinstitut (DJI) diesen Fragen entweder nicht widmet oder in Teilen zu Ergebnissen kommt, die im Widerspruch zur internationalen Forschung stehen.

So wurde die Studie „Kindeswohl- und Umgangsrecht“ zunächst vom BMFSFJ massiv beeinflusst und danach vom DJI überarbeitet. Die Ergebnisse der KiMiss-Studie zum Kindeswohl wurden vom BMFSFJ weitestgehend ignoriert.

Seither findet soziologische Forschung, die beide Eltern berücksichtigt und ergebnisoffen befragt, in Deutschland quasi nicht mehr statt, weil sie nicht mehr finanziert wird. Familienpolitik ohne objektive Daten kann jedoch nicht nachhaltig, sondern nur ideologisch ausgerichtet sein.

Pointiert formuliert: Die vor den Familiengerichten bestehenden Konflikt­dynamiken werden auf politischer und gesellschaftlicher Ebene reproduziert. Eine allparteiliche und lösungsorientierte Kommunikation findet nicht mehr statt.

Inhaltliche Positionierung

Nach Durchsicht verschiedener Stellungnahmen im Rahmen der aktuellen Familienrechts­reform scheint es Konsens zu sein, dass die angestrebten Reformen dringend notwendig sind und das Familienrecht die Bedarfe und Rechte der Kinder – nicht der Erwachsenen – stärker in den Blick nehmen muss. Ebenso sollten Trennungseltern das für sie individuell passende Betreuungsmodell frei wählen können – ohne sachfremde Fehlanreize.

Die vorgetragenen Positionen enthalten jedoch teilweise erstaunliche kognitive Dissonanzen, die diesen Zielen dann diametral entgegenstehen. Im Einzelnen:

1.  Gemeinsame Betreuung und Sorge

Es verwundert, dass einige Verbände einerseits (zu Recht) eine bessere Verteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit fordern und gleichzeitig die paritätische Betreuung, die genau dies leistet, kategorisch ablehnen.

Die überflüssige Diskussion über Betreuungsmodelle wäre sofort beendet, wenn der Gesetzgeber endlich den Mut hätte, die rechtliche Hierarchisierung von Trennungseltern zu überwinden: Beide Eltern betreuen, möglicherweise zu unterschiedlichen Anteilen. Streitanreize würden reduziert, vieles wäre für Trennungsfamilien einfacher.

Ebenso gilt in den meisten westlichen Ländern seit Jahren die gemeinsame Sorge ab Geburt. Bisher ist es dort nicht zu von einigen Verbänden immer wieder ausgemalten Katastrophen gekommen. Möglicherweise, weil man „Sorge“ dort weniger als Recht der Eltern, sondern vielmehr als deren Verantwortung gegenüber dem Kind sieht.

Ausgangspunkt sollte auf Basis von Art. 6 (2) GG daher immer die gemeinsame Sorge sein. Wenn ein Elternteil seiner Verantwortung nicht gerecht werden kann, so kann das Sorgerecht begründet entzogen werden.

FSI sieht daher keinen sachlichen Grund, warum die Politik gleichberechtigte Betreuung und gemeinsame Sorge ab Geburt nicht endlich auch in Deutschland umsetzt.

2.  Kindesunterhalt

Diskussionen zum Kindesunterhalt fokussieren in Deutschland oftmals allein auf die finanziellen Interessen der Mutter. Dabei wird vielfach übersehen, dass Mutter und Kind verschiedene Personen sind. FSI wirbt daher eindringlich dafür, endlich das Kind und seine Bedarfe in das Zentrum der Betrachtungen zu stellen.

  • Jedes Kind hat ein Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.
  • Dieses Grundrecht auf das sächliche Existenzminimum ist dem Kind eigen. Es ist nicht veräußerbar und nicht übertragbar – auch nicht an den hauptbetreuenden Elternteil.
  • Dementsprechend besteht im Sozialrecht der Grundsatz, dass die Bedarfe des Kindes anteilig dort entstehen, wo sich das Kind aufhält. Die derzeitige unterhaltsrechtliche Annahme eines Bedarfes von null im zweiten Haushalt ist daher grundgesetzwidrig.
  • Mitbetreuung ist also gerade keine „Unterhaltsersparnis“ oder „Bedarfsreduktion“ (ganz im Gegenteil) und darf daher auch nicht als solche modelliert werden.

Der bestehende Widerspruch zwischen Unterhalts- und Sozialrecht muss aufgelöst werden, denn es kann nur eine Definition des kindlichen Existenz­minimums geben.

Der Argumentation einiger Verbände über eine vermeintliche „Lebensverlaufs­perspektive“ kann FSI nicht folgen und stellt klar heraus: Kindesunterhalt dient allein der Existenz­sicherung des Kindes. Er ist kein nachgelagerter Betreuungs­unterhalt, keine gleichstellungs­­­­politische Entgelt­ersatz­leistung und auch keine Kompensation für persönliche Lebens­entscheidungen erwachsener Menschen.

Der Gesetzgeber muss die Tatsache anerkennen, dass ein Einkommen im Jahr 2024 bereits rein statistisch nicht (mehr) für die Finanzierung von zwei Haushalten ausreicht. In der Sache befürwortet FSI eine finanzielle Förderung der elterlichen Erziehungsarbeit, beispielsweise durch Steuererleichterungen für Eltern. Dies kann jedoch nicht Aufgabe des Kindes­unterhalts und somit von Einzelpersonen sein, hier braucht es eine gesamt­gesellschaftliche Lösung. Hierbei sind kindbezogene staatliche Zuwendungen bei Trennungs­familien betreuungsanteilig auf beide Haushalten aufzuteilen.

Für die Deckung der Bedarfe des Kindes fordert FSI eine Gleichbehandlung beider Eltern im Sinne der Art. 3 und 6 GG und somit eine tatsächliche Umsetzung des auch vom Bundesjustizminister im August 2023 formulierten Prinzips „beide betreuen, beide bezahlen“.[1]

Eine bessere Verteilung von Sorgeverantwortung kann systemisch nur bei einer gleichzeitig besseren Verteilung der Erwerbs­verantwortung gelingen.

3.  Gewaltschutz

Der Schutz vor Gewalt ist ein Menschenrecht und dessen Durchsetzung somit uneingeschränkt zu befürworten. In der aktuellen Diskussion wird jedoch versucht, über das an sich unterstützenswerte Ziel des Gewaltschutzes ein einseitiges Veto-Recht für Mütter durchzusetzen. Dies erfolgt in der Argumentation entsprechender Verbände strategisch durch drei Schritte:

  • Der Bezug zur Istanbul-Konvention (IK) eröffnet eine geschlechtsspezifische
    Täter-Opfer-Dichotomie, bei der Männer als Opfer und Frauen als Täterinnen oftmals nicht mitgemeint sind.
  • Durch einen ufer- und konturlosen Gewaltbegriff (Art. 3 IK) soll selbst die legitime Anrufung des Familiengerichts oder fehlende Unterhaltsfähigkeit in die Nähe eines Straftatbestands gerückt werden. Eine derartige Beliebigkeit widerspricht dem Willkürverbot und konterkariert den Schutz tatsächlicher Gewaltopfer.
  • Allein die Behauptung von Gewalt soll „präventiv“ zum Kontaktabbruch zum Kind führen können und der Gewaltvorwurf so einer gerichtlichen Überprüfung entzogen werden. Eine derartige Beweislastumkehr widerspricht grundlegenden rechts­staatlichen Prinzipien.

Effektiver Gewaltschutz bewegt sich stets im Spannungsfeld einer Grundrechts­abwägung: Einerseits ist die körperliche und auch psychische Unversehrtheit zu schützen, andererseits sind die Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats zu wahren. Insbesondere darf es keine Abkehr von der Unschuldsvermutung und erst recht keine „präventive“ Aberkennung von Grundrechten aufgrund von Gruppenzugehörigkeiten geben, wie sie einigen Verbänden offenbar vorschwebt.

Jeder Mensch hat ein Grundrecht auf Schutz vor Gewalt. Ein geschlechts­spezifisches Straf- oder Familienrecht verstößt gegen die Menschrechte und das Diskriminierungsverbot nach Art. 3 GG und ist daher unzulässig.

Wichtigstes Kriterium für Gewaltschutzmaßnahmen müssen daher stets konkrete und nachweisbare Gewalthandlungen sein. Gewalthandlungen können sowohl von Frauen als auch von Männern ausgehen und sind in beiden Fällen gleichermaßen zu ahnden; Kinder sind in beiden Fällen gleichermaßen zu schützen.

Liegen keine objektivierbaren Gewalthandlungen vor, sondern vor allem subjektive Behauptungen und Beschuldigungen, so deutet dies vielmehr auf einen massiven Elternkonflikt hin, der zum Schutz des Kindes ebenso, aber mit anderen Mitteln, zu begrenzen ist. Die schwierige Aufgabe der Familiengerichte besteht darin, zwischen reinen Elternkonflikten und objektivierbaren Gewalthandlungen zu differenzieren und individuell sinnvolle Interventionen anzuordnen.

  • Im Falle von objektivierbaren Gewalthandlungen stehen neben den Mitteln des Strafrechts bereits heute Gewaltschutzmaßnahmen nach § 214 FamFG zur Verfügung, die auch sofort anordbar und durchsetzbar sind.
  • Zum Schutz der Kinder besteht mit § 1666 und 1684 BGB ebenfalls bereits heute ein umfangreiches Instrumentarium. Dieses wird von den Familien­gerichten auch genutzt, jedoch nicht immer konsequent genug durchgesetzt.
  • Zur Bearbeitung von massiven Elternkonflikten (ohne objektivierbare Gewalt­handlungen) hält FSI es für sinnvoll, familientherapeutische Angebote mit dem Ziel der Entlastung der Kinder zumindest probatorisch anordbar zu machen. Dies ist aus unserer Sicht aus den Elternpflichten nach Art. 6 (2) GG begründbar und auch zumutbar.

Prozesstaktisch motivierte Gewaltvorwürfe sind ein zunehmendes Problem an deutschen Familiengerichten. Erfundene Gewalt­vorwürfe generieren oftmals einen prozessualen Vorteil, werden jedoch selbst im Falle des Nachweises falscher Beschuldigungen nicht sanktioniert. Es ist unmittelbar einsehbar, dass dies eine Zunahme solcher Taktiken systemisch begünstigt.

Dabei gilt: Erfundene Gewaltvorwürfe führen stets zu einer Eskalation des Elternkonflikts und schaden dem Kind damit massiv. Auch Falschbeschuldigungen sind daher als psychische Gewalt gegen das Kind und den anderen Elternteil zu werten und entsprechend zu sanktionieren.

4.  Prävention von induzierten Kontaktabbrüchen

Es ist unstrittig, dass jedes Kind ein Menschenrecht auf Beziehung zu beiden Eltern hat (Art. 9 UNKRK, Art. 24 EU-Grundrechtecharta). Dennoch verlieren in Deutschland im Zuge einer Trennung rund 40.000 Kind pro Jahr den Kontakt zu einem Elternteil.

Ein großer Teil dieser Kontaktabbrüche ist durch entfremdendes Verhalten induziert. Entfremdung bedeutet aus Sicht von FSI, dass ein Elternteil aus persönlichen Motiven darauf hinwirkt, dass das Kind den Kontakt zum anderen Elternteil verliert.

Entfremdendes Verhalten liegt dann vor, wenn ein Elternteil

  • den Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil gezielt erschwert oder sogar unmöglich macht,
  • ohne Zustimmung des anderen Elternteils mit dem Kind verzieht, so dass die geschaffene Distanz den Kontakt erschwert oder sogar unmöglich macht,
  • das Kind durch Manipulation in einen Loyalitätskonflikt treibt, so dass das Kind meint, sich für einen Elternteil entscheiden zu müssen oder
  • versucht, durch vorsätzliche Falschbeschuldigungen vor dem Familiengericht einen Umgangs­ausschluss zu erreichen.

Entfremdendes Verhalten liegt nicht vor, wenn

  • der andere Elternteil von sich aus den Kontakt zum Kind ablehnt oder
  • es objektivierbare Gründe gibt, dass das Kind durch den Kontakt zum anderen Elternteil gefährdet ist (negative Kindeswohlprüfung) und daher geschützt werden muss. Solche Gründe sind insbesondere Vernachlässigung, Gewalt gegen das Kind oder sexueller Missbrauch.

Entfremdendes Verhalten ist nicht geschlechtsspezifisch, sondern hat in aller Regel biographische Gründe. Es kann sowohl von Müttern als auch Vätern ausgehen, sowohl Mütter als auch Väter können Betroffene sein.

Entfremdung kann vielfältig motiviert sein: Das Kind soll die emotionalen Bedürfnisse des verbliebenen Elternteils versorgen, wird gar als Partnerersatz behandelt, so dass es zu einer Rollenumkehr kommt (Parentifizierung). Oder das Kind wird instrumentalisiert, um Vergeltung für subjektiv empfundene Verletzungen aus der Zeit der Paarbeziehung zu üben (Objektifizierung).

Unabhängig von der Motivlage beeinträchtigt entfremdendes Verhalten eines Elternteils die Persönlichkeits­­entwicklung des Kindes massiv und hat gravierende psychische Spätfolgen.

FSI kritisiert, dass das Problem der Entfremdung von verschiedenen Verbänden nicht thematisiert und teilweise sogar geleugnet wird. Auch im Eckpunktepapier des BMJ zur Familienrechtsreform besteht hier eine sachlich nicht mehr nachvoll­ziehbare Leerstelle beim Gewaltschutz.

Entfremdung und induzierte Kontakt­abbrüche sind Menschenrechtsverletzungen und psychische Gewalt gegen das Kind und den anderen Elternteil.

Kindesentziehung (§ 235 StGB), prozesstaktische Falsch­beschuldi­gungen (§ 164 StGB) oder sonstige Verletzungen der Fürsorgepflicht (§ 171 StGB) werden in Deutschland jedoch regelhaft nicht verfolgt und einseitig eskalierendes Verhalten eines Elternteils somit nicht begrenzt. Derartige Inaktivität ist Ursache für die zahlreichen Verurteilungen der Bundesrepublik in Familiensachen durch den EGMR. Dieser unhaltbare Zustand muss beendet werden.

Schlussbemerkung

Die Zivilgesellschaft erwartet ein Familienrecht, das

  • im Einklang mit dem Grundgesetz steht,
  • gemeinsame Verantwortungsübernahme auch nach einer Trennung fördert,
  • eskalierendes Elternverhalten sanktioniert und begrenzt,
  • möglichst frei von sachfremden (finanziellen) Fehlanreizen ist,
  • das Existenzminimum von Kindern und Eltern in beiden Haushalten garantiert und
  • einem bestehenden Erwerbsanreiz nicht zuwider läuft.

Das aktuelle Familienrecht deckt keinen dieser Punkte ab. Die dringend notwendigen Reformen müssen von einer möglichst breiten gesellschaftlichen Basis getragen werden. Der dafür notwendige Austausch findet jedoch derzeit nicht ausreichend statt bzw. wird in Teilen bewusst vermieden.

FSI fordert daher einen breiten zivilgesellschaftlichen Dialog, auch unter Einbeziehung der beteiligten Professionen und deren Verbände. Auch sollten die familienrechtlichen Regelungen und Erfahrungen anderer Länder im Sinne eines Best-Practice-Ansatzes unbedingt mit einbezogen werden.

Hierzu verweisen wir auf die erfolgreiche Familienrechtsreform in Irland, deren Basis zunächst ein gesellschaftlicher Konsultationsprozess war. Auch die Entwürfe der Familienrechts­reform in Dänemark sind klar auf gemeinsame Elternschaft, Verhinderung von Kontaktabbrüchen, Beschleunigung der Verfahren, wirkungsvollen Gewalt­schutz, Deeskalation und Sanktionierung elterlichen Fehlverhaltens ausgerichtet. Dies ist, was es braucht, um Kinder zu schützen.

Die derzeitige Obstruktion und der Stillstand im Familienrecht kann nur durch einen breiten zivilgesellschaftlichen Dialog überwunden werden. Denn:
Effektive und nachhaltige Familienpolitik lässt sich nicht gegen die Hälfte der Bevölkerung gestalten – weder gegen die eine noch gegen die andere.


[1] Inhaltlich bricht der Entwurf des BMJ jedoch mit der eigenen Vorgabe: Laut Eckpunktepapier bleibt weiterhin nur ein Haushalt unterhaltspflichtig, auch wenn die Kinder dort zu erheblichen Teilen betreut werden. Weiter behandelt das BMJ im Entwurf die Eltern im Hinblick auf die Betreuung ungleich und sieht mittels Stufenmodell ein diskriminierendes „Drei-Klassen-Elternrecht“ vor. 

Anlagen

Positionspapier zur Reform des Familienrechts (PDF)

Transparenzhinweis

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