Forderungen zur Familienpolitik für die Wahlprogramme zur Bundestagswahl 2021
I
Zeitgemäße Geschlechterpolitik
In den letzten Jahrzehnten und besonders unter der Ägide des BMFSFJ war politisch neben dem berechtigten Fokus auf Minderheiten ein nahezu ausschließlicher Fokus auf Frauen und Mütter erfahrbar. Männer und (getrennte) Väter wurden vom zuständigen Bundesministerium ignoriert. Ein defizitärer und undemokratischer Ansatz.
Aus diesem Grunde formulieren wir:
„Zeitgemäße Geschlechterpolitik nimmt die Belange von Frauen und Männern sowie von (getrennt erziehenden) Müttern und Vätern gleichberechtigt in den Blick.“
Daraus folgt: Wir wollen alle gesellschaftlich und politisch relevanten Phänomene umfassend behandeln - mit dem Fokus auf ihre Auswirkungen auf Frauen und Männer. Der Fokus der Politik soll zukünftig gleichermaßen auf Frauen und Männern liegen, wenn sie Betroffene, Opfer oder auch Täter(innen) sind. (Beispiele: Außer- und innerhäusliche Gewalt, sexueller Missbrauch, Teilhabe am Erwerbsleben, Verdienstunterschiede, Altersarmut, Suizide, Gesundheit, Lebenserwartung usf.)
Um politische Chancengleichheit und Ausgewogenheit zu ermöglichen soll zukünftig für die öffentliche Förderung von geschlechterpolitischen Initiativen gelten:
Wir wollen bei öffentlichen Zuwendungen für geschlechterpolitische Organisationen auf die paritätische Berücksichtigung von Frauen- und Männerverbänden achten.
II
2) Partnerschaftlichkeit und faire elterliche Lastenverteilung für Trennungsfamilien
Elternschaft ist heute oft genug herausfordernd, wenn es darum geht, Beruf und elterliches Engagement zu vereinbaren. Wir setzen uns dafür ein, dass Chancen und Lasten von beiden Eltern gemeinsam getragen werden.
Dazu streben wir an, dass die Elternzeit gleichmäßig zwischen beiden Eltern aufgeteilt wird und setzen entsprechende Anreize für Eltern. Dadurch wollen wir insbesondere die Chancengleichheit für Mütter im Beruf stärken und Väter stärker in die Erziehungsarbeit einbinden. Wir sind davon überzeugt, dass Kinder möglichst umfangreich von den Kompetenzen beider Eltern profitieren sollen.
Die faire Lastenverteilung soll sich auch nach einer Trennung fortsetzen. Es soll sichergestellt werden, dass nach einer Trennung möglichst kein Elternteil allein zurückgelassen wird, sondern möglichst viele Eltern gemeinsam erziehen.
Beide Eltern sollen, wo immer dies möglich und dem Kindeswohl nicht abträglich ist, gemeinsam und im Idealfall zu gleichen Teilen an der Betreuung der Kinder beteiligt sein. Das Unterhaltsrecht wollen wir so reformieren, dass Anreize gesetzt werden, die Betreuung der Kinder umfangreich wahrzunehmen.
Weitere Bereiche wie das Steuer- und Sozialleistungsrecht sollen auf den Normalfall des gemeinsamen getrennt Erziehens angepasst werden.
Wir wollen an Familien das Signal senden „Wir nehmen Euch wahr“. Familien benötigen Anerkennung für ihre Leistungen. Da heute Trennungsfamilien die Hälfte aller Familienformen stellen, formulieren wir:
Wir wollen, dass auch Eltern in Trennungsfamilien gleichberechtigt wahrgenommen werden und für die Politik sichtbar sind.
Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass zukünftig das Statistische Bundesamt (destatis) beide Haushalte der getrennt erziehenden Eltern erfasst und statistisch ausweist.
Wir wollen im Melderecht dafür sorgen, dass Kinder zukünftig in beiden Haushalten der getrennten Eltern melderechtlich erfasst werden.
III
3) Ein Abstammungsrecht, das sich an Abstammung orientiert
„Wir setzen uns für ein Abstammungsrecht ein, das sich an Abstammung orientiert.“
Das heute in Deutschland geltende Abstammungsrecht fußt auf den rechtlichen Überlegungen aus dem Jahr 1886 zur Formulierung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) 1900. Damals waren Nachweise zur genetischen Abstammung medizinisch-technisch nicht möglich. Deshalb wurde der Vermutungsgedanke bemüht: Der Ehemann der Mutter wurde als Vater des Kindes vermutet und rechtlich als Vater festgelegt. Das sorgte für Rechtsfrieden.
Heute ist die Definition von Vaterschaft über den Ehestand aus der Zeit gefallen. Die Menschen wollen wissen, woher sie kommen, wer ihre genetischen Eltern sind, welche positiven und negativen genetischen und epigenetischen Veranlagungen sie vererbt bekamen (Belastungen und Bestärkungen), welche Erbrechte sie haben, welches Zeugnisverweigerungsrecht ihnen zusteht, welche Rechte sie auf Staatsbürgerschaft haben usf. Dies wollen wir über eine Neufassung des Abstammungsrechts zeitgemäß regeln.
Dabei stellen wir die Interessen der Kinder in den Mittelpunkt. Aus Kindersicht leiten sich zeitgemäße Definitionen von Mutterschaft und Vaterschaft über die genetische Abstammung her. Wir wollen BGB §§ 1591,1592 in diesem Sinne reformieren.
Wir wollen mit diesen Definitionen die Ansätze von Rechtsklarheit und Rechtswahrheit umsetzen.
Für alternative Konstellationen von Elternschaft gelten bereits jetzt besondere Regelungen; sie haben sich bewährt: Pflegeelternschaft und Adoptivelternschaft.
Eine generell geltende willkürliche Zuordnung von Elternschaft aus einem Erwachseneninteresse heraus würde die Kindersicht ignorieren; dies lehnen wir ab.
IV
4) Zivilgesellschaft und Politik
„Die Politik sucht den engen Austausch mit Vertretern der Zivilgesellschaft.“
Gesellschaftliche Erneuerungen erfordern den engen Austausch zwischen Politik und Zivilgesellschaft. Wir wollen, dass die Bedarfe an gesellschaftlichen Veränderungen, gerade im Bereich der Familienpolitik, erkannt und benannt werden und Änderungswünsche formuliert und vorgetragen werden können.
Wir sehen es als unerlässlich an, im Bereich der politischen Willensbildung Betroffenenverbände mit ihrer Expertise zum Diskurs zu laden. Dabei wollen wir auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Frauen- und Männerverbänden sowie von Mütter- und Väterverbänden achten.
Wir setzen uns bei der Erarbeitung eines neuen Familienrechts für die Einberufung eines interministeriellen Runden Tisches ein, mit Einladungen sowohl an Mütter- als auch an Väterverbände.
Anlagen zu IV
Worst Cases:
1) Das BMJV ließ (mit BMFSFJ) zwischen den Jahren 2016 und 2019 zwei Arbeitskreise zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Erneuerung des Familienrechts tagen: AK Unterhaltsrecht und AK Kindschaftsrecht.
Bei beiden Arbeitskreisen waren Vätervertreter ausgeschlossen.
2) Das BMJV ließ zwei Jahre lang eine „Expertenkommission“ tagen zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Erneuerung des „Abstammungsrechts“ (zeitgemäße Definitionen von Mutterschaft und Vaterschaft).
Väterverbände waren von den Beratungen ausgeschlossen.
3) Das BMFSFJ ließ einen Entwurf zur Novellierung des Kinder- und Jugendhilferechts erarbeiten. Eingeladen waren vor allem Vertreter der Wohlfahrtsverbände - derjenigen Verbände, die von den Jugend-hilfemaßnahmen finanziell profitieren.
Betroffenenverbände – Mütterverbände, Väterverbände, Großelternverbände - waren nicht geladen.