FSI formulierte mit der Initiative Netzwerk Getrennterziehend Wahlprüfsteine zu den Landtagswahlen 2023 in Bayern und Hessen.
Alle im Bayerischen Landtag vertretenen Parteien hatten die restriktiven Vorgaben aus der Bundestagswahl 2021 übernommen mit der Limitierung auf maximal 8 Fragen mit jeweils höchstens 300 Wörtern. Im Hessischen Landtag schrieb das lediglich die FDP vor.
FSI übersandte den Parteien jeweils 2 Versionen: eine Kurzversion unter Einhaltung der Restriktionen sowie eine Langversion mit ausführlicherem Text.
Die Antworten der Parteien trafen bis Anfang September ein - mit Ausnahme der SPD Hessen. In Bayern fragte FSI noch die oppositionelle Gruppierung "Die Basis" zusätzlich ab.
Hier die grafischen Übersichten als Auswertung der Antworten der Parteien:
A.) Landtagswahl Bayern
B.) Landtagswahl Hessen
Einleitung zu den Fragen an die Parteien:
Familien- und Geschlechterpolitik sind vorwiegend Teil der Bundespolitik. Gleichwohl haben die Landesregierungen Einfluss auf die politischen Entwicklungen im Bund – über Bundesrat sowie Bundeskonferenzen u. a. der Familien- und Justizminister sowie ihre Partei-eigenen Bundesfachausschüsse Familie.
Die Wählerschaft möchte über die Positionierungen der zur Wahl antretenden Parteien zu nachfolgend aufgeführten folgenden Punkten informiert sein und bittet die Parteien um qualifizierte Antworten. Vielen Dank.
WAHLPRÜFSTEINE (WPS) zur Landtagswahl in BAYERN 2023
1. Trennungsfamilien (Wahrnehmung durch Melde- und Statistikrecht)
Die bundesdeutsche Politik nimmt Familien nicht mehr ganzheitlich wahr, sondern fokussiert ab dem Tag der Trennung nurmehr auf diejenigen Haushalte, in denen die Kinder gemeldet sind. Sie ignoriert so die zweiten Haushalte, in denen die Kinder von ihren Eltern zu 30 %, 40 % oder bis zu 49 % betreut werden.
Wird Ihre Partei sich dafür einsetzen, diesen zweiten Teil der Trennungsfamilien durch fakultative Befragung nach Betreuungsanteilen auf Landesebene sichtbar zu machen? Wird Ihre Partei sich über das Anpassen des Melderechts (Kinder können zukünftig in zwei Haushalten angemeldet sein) sowie des Mikrozensusgesetzes (beide betreuende Eltern werden statistisch erfasst) für eine gleichberechtigte Wahrnehmung beider Trennungseltern einsetzen?
2. Trennungsfamilien (Getrennterziehende und Alleinerziehende)
Die Politik verwendet fehlleitende Bezeichnungen für Trennungsfamilien. Insbesondere spricht sie in inflationärer Weise regelmäßig von sogenannten „Alleinerziehenden“. Dabei sind in den allermeisten Fällen die betreuenden Eltern „getrennt Erziehende“. Bei wirklich „Alleinerziehenden“ ist der zweite Elternteil verstorben, schwer erkrankt oder steht auf andere Weise für die Betreuung der Kinder nicht zur Verfügung. Genaue Zahlen existieren nicht – Schätzungen gehen bei echten Alleinerziehenden von ca. 1 bis 3 % der Fälle aus.
Wird Ihre Partei sich zukünftig für ein korrektes Benennen der Trennungsfamilien als „getrennt Erziehende“ einsetzen? Wird Ihre Partei sich auf Landesebene für die Schaffung von „Beratungsstellen für Getrennterziehende“ einsetzen?
3. Neuregelung Unterhaltsrecht für Trennungsfamilien
Der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen im BMFSFJ fordert eine Neuregelung der Aufteilung der Lasten im Rahmen des Unterhaltsrechts in Bezug auf die Kinder in Trennungsfamilien auf beide Haushalte. Dies ist im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbart. Allein die Umsetzung ist strittig.
Wird Ihre Partei sich für eine Regelung einsetzen, die die proportionale Aufteilung des Barunterhalts für Trennungskinder auf beide Haushalte im Verhältnis zu den jeweiligen Betreuungsleistungen umsetzt?
Wird Ihre Partei dabei auf eine „lineare Aufteilung“ drängen (im Gegensatz zum diskriminierenden Ansatz „Stufenmodell“)?
4. Kindergrundsicherung für beide Haushalte in Trennungsfamilien
Die Koalition im Bund will viele familienrelevante staatliche Leistungen im Rahmen einer „Kindergrundsicherung“ bündeln. Dazu zählen a) Bürgergeld, Kosten der Unterkunft, Bildungs- und Teilhabepaket sowie b) Kindergeld, Kinderfreibetrag und Betreuungsfreibeträge.
Das Sozialrecht teilt bereits heute die unter a) genannten staatlichen Leistungen im Verhältnis der jeweiligen Betreuungsleistungen (B.: 17 Tage zu 13 Tage Betreuung pro Monat) in diesem Verhältnis auf beide Haushalte auf („temporäre Bedarfsgemeinschaften“).
Nicht so die unter b) genannten steuerlichen Erleichterungen. Hier sind derzeit noch allein diejenigen Haushalte antragsberechtigt, in denen die Kinder gemeldet sind – unabhängig von der tatsächlichen Betreuungsleistung, was de facto einer unzutreffenden Aufteilung von 100 % zu 0 % entspricht. So ignoriert die Politik die anteiligen Bedarfe der Kinder in den zweiten Haushalten im Rahmen ihres „sächlichen Existenzminimums“ und verstößt damit gegen Verfassungsrecht.
Wird Ihre Partei sich für ein konsequentes Aufteilen aller staatlichen Leistungen im Rahmen der „Kindergrundsicherung“ auf beide getrennt erziehende Haushalte im Verhältnis zu den jeweiligen Betreuungsleistungen einsetzen – und so konsequent die anteiligen Bedarfe der Kinder wahren?
5. Prävention gegen Kontaktabbrüche aufgrund Eltern-Kind-Entfremdung
In Deutschland erleiden erschreckend viele Kinder nach Trennung oder Scheidung der Eltern vollständigen Kontaktabbruch zu einem Elternteil. Schätzungen gehen von über 30 % der betroffenen Trennungskinder aus. Internationale Studien belegen, dass der Kontaktabbruch, ausgelöst durch die Trennung der Eltern, zu kurzfristigen und/oder langfristigen gesundheitsgefährdenden Entwicklungen bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen führt.
Wird Ihre Partei sich auf Landesebene für die Durchführung einer Kampagne einsetzen zur Aufklärung und Prävention durch das Staatsministerium für Familie (STMAS)?
Wird Ihre Partei sich auf Bundesebene für eine verpflichtende „Schulbezirksregel“ als Präventionsmaßnahme einsetzen, wie in vielen westlichen Ländern üblich und bewährt? Dabei ist es Eltern jederzeit erlaubt, ihren Wohnort (mit Kind) innerhalb des Schulbezirks zu wechseln. Ziehen die Eltern jedoch nach außerhalb, so verlieren sie automatisch das Sorgerecht über ihre Kinder.
6. Offener demokratischer Diskurs / Politik und Zivilgesellschaft
In Deutschland (auch in Bayern) ist eine zunehmende Kluft zwischen Politik und Zivilgesellschaft wahrnehmbar. Legislative und Exekutive laden – geht es um Familien- und Geschlechterpolitik – nahezu ausnahmslos Vertreter von Frauen- und Queer-Anliegen zum Austausch ein.
Wird Ihre Partei diese Einseitigkeit in der Einladungspraxis beenden?
Wird Ihre Partei sich zukünftig für eine konsequente Einbindung von Vertretungen aus der Mitte der Zivilgesellschaft in den politischen Prozess durch ausgewogene Einladung von Betroffenenverbänden einsetzen?
7. Wahrung der Vorgaben des Grundgesetzes in der Geschlechterpolitik
Viele Akteure in der Politik verwenden unhinterfragt den Begriff „Gleichstellungspolitik“ und verkennen dabei, „Gleichstellung“ ist als Ergebnisgleichheit grundgesetzlich nicht gedeckt. Vielmehr spricht das Grundgesetz von „Gleichberechtigung“ als individuelle Chancengleichheit.
Wird Ihre Partei sich für eine Korrektur der zuständigen Abteilung im STMAS einsetzen – sowohl in der Benennung mit „Gleichberechtigung“ anstatt „Gleichstellung“ als auch in der inhaltlichen Ausrichtung?
8. Faire Aufteilung staatlicher Fördergelder
Aktuell fördert der Bayerische Staat (wie der Bund) vor allem Verbände, die die Interessen von Frauen, Müttern und Queer-Interessen vertreten. Verbände, die sich für die Belange von Mädchen und Jungen, Frauen und Männern, (getrennt erziehenden) Müttern und Vätern in authentischer Weise engagieren, gehen bei der Förderung leer aus.
Wird Ihre Partei zukünftig die Zuwendungen im Rahmen einer fairen Geschlechterpolitik als paritätische Aufteilung an Verbände verstehen, die sich den Anliegen von Frauen- und Männern, Müttern und Vätern widmen und für ein gesellschaftliches Miteinander anstelle von Polarisierung stehen?
9. Zeitgemäßes Abstammungsrecht
Das bestehende Abstammungsrecht stammt aus den Jahren vor 1900 und sieht für die Definition von Vaterschaft den Vermutungsgedanken über den Ehestand vor („Vater eines Kindes ist der Mann, der mit der Mutter des Kindes verheiratet ist“).
Diese Regelung ist medizinisch-genanalytisch überholt und nicht mehr zeitgemäß.
Heute kann die genetische Abstammung eines Kindes von Mutter und Vater mit einfachen Mitteln, zuverlässig und zweifelsfrei nachgewiesen werden.
Wird Ihre Partei sich für eine zeitgemäße Neuregelung des Abstammungsrechts im Sinne von genetischer Abstammung einsetzen?
Wird Ihre Partei dabei Mutterschaft und Vaterschaft über biologische Abstammung rechtlich gleichbehandeln?
Wird Ihre Partei sich laufenden Bestrebungen von willkürlichen Zuordnungen von Elternschaft ohne genetischen Bezug (Ko-Mutterschaften usf.) entgegenstellen?
WAHLPRÜFSTEINE (WPS) zur Landtagswahl in HESSEN 2023
Gleichlautend zu den Fragen in Bayern, jedoch zusätzlich:
10. Schutzangebote auch für männliche Opfer häuslicher Gewalt
In vielen Bundesländern existieren Beratungsangebote und Schutzwohnungen für männliche Opfer von häuslicher Gewalt, so in Bayern, NRW, Sachsen, Baden-Württemberg. Ein derartiges Angebot fehlt in Hessen.
Wird Ihre Partei sich für die Einrichtung von Beratungsstellen und Schutzwohnungen auch für männliche Opfer von häuslicher Gewalt in Hessen einsetzen?
11. Verpflichtende Aus- und Fortbildung für Familienrichter
Anerkanntermaßen besteht gerade bei Familien-Richtern und -Richterinnen ein erhebliches Defizit an soziologischer und psychologischer Kenntnis von Dynamiken in Trennungs- und Scheidungsprozessen.
Eine konkrete akademische Ausbildung zum Familienrecht existiert faktisch nicht. Richtern werden zwar in nicht bekanntem Umfang fakultative Fortbildungsangebote gemacht; dieser Berufsstand ist, im Gegensatz zu Rechtsanwälten, jedoch nicht verpflichtet, diese wahrzunehmen. Eine Vielzahl unterlässt dies regelmäßig, sei es aus Desinteresse oder auch aus beruflicher Überlastung.
Wird Ihre Partei sich dafür einsetzen, dass
FSI liegen die Original-Antworten der Parteien teilweise im WORD- bzw. im PDF- Format vor und stellt die Antworten auf Anfrage zur Dokumentation zur Verfügung.